Preisgekrönte Erfindung kann Trinkwasseraufbereitung revolutionieren

Preisgekrönte Erfindung kann Trinkwasseraufbereitung revolutionieren

Eine Bleistiftmine als Grundlage für eine Erfindung zu nutzen, die schädliche Bakterien im Wasser nachweist und entfernt, klingt zunächst etwas ungewöhnlich. Aber genau das haben die Sieger des 2017 Stockholm Junior Water Prize getan. Erfahren Sie hier, wie deren schnell-wirkendes System die Art und Weise, wie Wasser getestet und behandelt wird, revolutionieren könnte.

Ryan Thorpe und Rachel Chang kennen sich bereits seit dem Kindergarten. Jetzt, mit mittlerweile 17 Jahren, haben sie gerade den Stockholm Junior Water Prize für ein System gewonnen, in dem Biosensoren zum Nachweis einzelner Kolonien der vier häufigsten, in Wasser vorkommenden, schädlichen Bakterien eingesetzt werden.

Thorpe und Chang besuchen die Oberstufe der Manhasset Secondary School auf Long Island, New York. Impeller sprach mit ihnen während der World Water Week in Stockholm, kurz nachdem sie den Preis gewonnen hatten.

Was ist es für ein Gefühl, gewonnen zu haben?

Chang: Einfach unglaublich, es ist das tollste Gefühl der Welt, vor allem weil alle Projekte so unglaublich gut sind. Hier zu gewinnen, ist einfach fantastisch.

Thorpe: Es war eine aufregende, fantastische Woche, jede Menge Spaß und tolle Erfahrungen, an die ich mich mein ganzes Leben erinnern werde. Einen besseren Abschluss hätte ich mir nicht vorstellen können.

Können Sie erklären, wie Ihr System funktioniert?

Chang: Wir haben ein System entwickelt, um Bakterien in verunreinigtem Wasser nachzuweisen und zu entfernen. Wir haben mit E. coli, Shigellen, Cholera und Salmonellen gearbeitet, die derzeit zu den häufigsten, durch Wasser übertragenen Krankheitserregern gehören. Wir haben Graphen-Biosensoren entwickelt, die ein elektrisches Signal generieren, wenn sie in Kontakt mit Bakterien kommen. Durch Ablesen des Stromimpulses auf einem Monitor können wir feststellen, ob Bakterien vorhanden sind.

Was ist Graphen?

Chang: Graphen ist im Grunde ein Kohlenstoff. Wir haben unser Graphen aus Bleistiftminen, dem Graphit in Bleistiften, gewonnen. Dies ist einer der Aspekte, die unser Projekt wirtschaftlich machen, falls es in Entwicklungsländern eingesetzt werden sollte. Graphen ist zudem ein hervorragender Leiter, wodurch wir Bakterien innerhalb kürzester Zeit nachweisen können.

Thorpe: Für die Reinigung haben wir Arduino Mikroprozessoren eingesetzt, d. h. elektronische Bauteile, die man für unterschiedlichste Aufgaben programmieren kann. Das Tolle an Arduino Mikroprozessoren ist, dass so viele mit ihnen arbeiten, die über umfangreiche Informationen verfügen, was den Lernprozess ungeheuer beschleunigt. Wir haben die Arduino Prozessoren so programmiert, dass sie einen Motor steuern, der Chemikalien ins Wasser abgibt, sobald wir Bakterien nachgewiesen haben und auf diese Weise die vorkommenden Bakterien sicher und effizient eliminiert.

Wird der Graphen-Biosensor im Wasser platziert?

Chang: Der Sensor sieht wie ein kleines, flaches Viereck aus. Da wir während des gesamten Prozesses in einem High School Labor gearbeitet haben, mussten wir eine Farbe auf Wasserbasis verwenden, anstelle der üblichen Silberfarbe. Das bedeutet, dass wir nur kleine Wasserproben auf den Sensor auftropfen konnten. Falls wir in der Zukunft die Möglichkeit erhalten, das Projekt in einem professionelleren Labor weiterzuführen, könnte der komplette Sensor in das Wasser eingetaucht werden, um kontinuierlich die Anwesenheit von Bakterien zu überwachen.

Thorpe: Unser Sensor ist an ein Messgerät angeschlossen, das wiederum mit einem Rechner verbunden ist, der die Ergebnisse zweidimensional auf einem Monitor darstellt. Werden keine Bakterien im Wasser nachgewiesen, wird eine rote Linie angezeigt, die sich nicht verändert. Wenn jedoch Bakterien nachgewiesen werden, werden dadurch entstehenden Spannungsveränderungen angezeigt.

Erkennt ein Sensor alle vier Arten von Bakterien?

Thorpe: Wir haben vier unterschiedliche Biosensoren entwickelt. Jeder von ihnen weist die Modellorganismen der vier wichtigsten bakteriellen Pathogene nach. Da diese bakteriellen Pathogene unterschiedliche Analyte produzieren, z. B. E. coli produziert D-Lactat, im Gegensatz zu Shigellen, die Glycerol produzieren, kann man den Typ von Bakterie identifizieren und nachweisen.

Wie schnell geht das?

Chang: Der Nachweis erfolgt sofort. Sobald die Probe mit dem Biosensor in Kontakt kommt, verändert sich die Spannung, falls Bakterien nachgewiesen werden. Das geschieht unmittelbar. Der Reinigungsprozess, bei dem die Bakterien eliminiert werden, dauert ca. 10 Sekunden.

Was verwenden Sie zum Eliminieren der Bakterien?

Thorpe: Wir haben Natriumhydroxid und Wasserstoffperoxid verwendet. In früheren Studien hat sich gezeigt, dass Wasserstoffperoxid zu einem deutlichen Anstieg der Alkalinität führt. Es bildet Hydroxyl-Radikale, d. h. Verbindungen, die als Ersatz für Chlor verwendet werden. Obwohl Chlor ein breites Spektrum von Organismen zerstören kann, ist der Verzehr für Menschen in einigen Fällen nach wie vor problematisch. Das Gute an Hydroxyl-Radikalen ist, dass die Nebenprodukte, die sie bilden, vollkommen ungefährlich sind und dass sie eine sehr kurze Lebensdauer haben. Sie töten innerhalb kürzester Zeit ein breites Spektrum an organischem Material ab, können aber, sobald sie inaktiv geworden sind, gefahrlos verzehrt werden.

Welche Anwendungsmöglichkeiten bietet Ihr System?

Thorpe: Das Gerät kann zum Nachweis und für direkte Reinigungsprozesse verwendet werden. Es ist wirklich sehr vielseitig einsetzbar, sowohl in Entwicklungs- als auch in Industrieländern. In Entwicklungsländern kann es in einer Trinkwasserquelle platziert werden aber auch in Rohrsystemen in Industrienationen.

Inwiefern unterscheidet sich Ihre Methode von den bislang üblichen Verfahren

Chang: Zum Nachweis wird normalerweise das PCR-Verfahren verwendet. Es vervielfältigt die DNA der Bakterien und weist diese hierdurch nach, was labortechnische Fachkenntnisse erfordert sowie kompliziert und sehr teuer ist. Die Geräte, die hierfür erforderlich sind, kosten um die $5 000, und man muss ständig neues Material kaufen, um sie einsetzen zu können. Unser System ist wesentlich benutzerfreundlicher, wesentlich billiger und kann zudem wesentlich geringere Bakterienmengen nachweisen.

Wie kam es, dass Sie sich für die Wasseraufbereitung interessieren?

Chang: Ich bin seit jeher leidenschaftlich an Umweltfragen interessiert. Irgendwann las ich einen Artikel über die Standardmethoden zum Nachweis von Bakterien, die ein bis zwei Tage und in manchen Fällen sogar bis zu einer Woche dauern können. Außerdem liegen bei diesen Methoden die Nachweisgrenzen bei bis zu 1 000 Bakterienkolonien, laut Weltgesundheitsorganisation ist Wasser aber schon bei einer Bakterienkolonie in 100 ml für den Verkehr untauglich. Daher wollte ich ein System entwickeln, das diese Methoden verbessern, den Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation entsprechen und den Zugang zu sauberem Wasser erweitern würde.

Thorpe: Mich hat das Thema Wasserknappheit und deren Rolle als Auslöser zukünftiger, globaler Konflikte interessiert, die in zahlreichen Artikeln behandelt wird. Ich kam in Kontakt mit diesem speziellen Thema, da unsere High School jedes Jahr ein eigenes Quasi-Wissenschaftsmagazin herausgibt, in dem man seine Forschungsartikel veröffentlichen kann. Beim Lesen einiger alter Exemplare stolperte ich über das Wort „Biosensor“, und da dieses Wort in denen neueren Ausgaben nicht vorkam, schlug ich es nach. Kurz gefasst registriert ein Biosensor etwas, das wir nicht sehen können, und wandelt es in einen visuellen Stimulus um – ein Konzept, das ich auf Anhieb interessant fand.

Möchten Sie abschließend noch etwas sagen?

Chang: Ich denke, dass jeder einen Beitrag leisten kann. Auch wenn es nur darum geht, darauf zu achten, dass man den Wasserhahn auch wirklich zudreht, damit er nicht tropft – wenn sich alle daran halten würden, könnten schon allein dadurch Millionen von Kubikmetern Wasser gespart werden. Zusammen können wir beim Wasser wirklich etwas erreichen.

Thorpe: Wenn man nur will, findet man eine Lösung. Wenn man sich hinsetzt und eine Liste der unterschiedlichen Lösungen für ein Problem aufschreibt und versucht, herauszufinden, welche davon die beste ist, dann kann man das Problem lösen.

Chang: Harte Arbeit und Ausdauer zahlen sich definitiv aus.

Fakten zum Stockholm Junior Water Prize

von Chad Henderson